Donnerstag, 22. November 2007

"Sex sells", sagte der Kunde...


"ALSO… jetzt habe ich schon zweimal einen Werbebrief geschrieben und sogar einen Newsletter verfasst - und wie war die Reaktion? Null, nichts, nada. Dabei habe ich doch gar keine großen Fehler gemacht, oder...?

Als ich den “handgemachten” Brief und Flyer des Kunden gelesen hatte, wunderte mich das Ergebnis nicht mehr: der Text war mit einem Wort: grottenschlecht.

“Na ja”, meinte der Kunde, “ich glaube, jetzt muss ich mal schärfere Geschütze auffahren. Sie schreiben mir einen netten Text und oben als Bild, da setzen wir ein Foto von ´ner sexy Frau rein mit nicht viel an - da guckt doch jeder hin. Schließlich heißt es doch immer: “Sex sells”…

Nun, so unrecht hatte der Kunde ja nicht. Bildreize, die starke Emotionen und Triebe ansprechen - Lust, Liebe, Schmerz, Angst… - sind auf jeden Fall Eyecatcher. Jeder weiß, dass erotische Stimmungen und Fotos schöner, spärlich bekleideter Frauen- und Männerkörper bedeutende “Attention getter” sind. Werbung, Zeitschriften und Internet bedienen sich solcher Bildreize, um Kunden aufmerksam zu machen und anzulocken. Das ist legitim, wenn es zum Thema und Produkt passt – zum Beispiel zu Parfüm oder Dessous. Der besagte Kunde aber hatte ein Versicherungsunternehmen und das Paket, das er in seinem Werbebrief und Newsletter verkaufen wollte, war eine Kombination aus Zusatzrenten-, Zusatzpflege- und Sterbeversicherung (!) …

WAS WÄRE NUN PASSIERT, wenn der Kunde sich durchgesetzt hätte? Wenn das völlig unpassende “nackte” Foto über dem Versicherungstext erschienen wäre? Das Bild hätte dafür gesorgt, dass mancher Betrachter/Leser gestutzt und das Foto einen Moment angeschaut hätte. Vielleicht hätte er sich auch noch gefragt: “Worum geht´s denn da?”. Doch sobald er erkannt hätte, dass hier “seriöse” Versicherungen angepriesen werden sollen, hätte er den Newsletter erbost weggeworfen. Seine für Logik zuständige linke Gehirnhälfte hätte ihm signalisiert: “STOPP! Da will dich jemand auf billigste Art ködern. Hände weg”!

Das Problem, um das es hier geht, ist die fehlende Kongruenz zwischen Bild und Text. Es gibt keine harmonische Wort-Bild-Sprache: die “Tonality” stimmt nicht. Bild und Text passen “wie die Faust aufs Auge” und der Leser fühlt sich für dumm verkauft.

In so einem Fall hat auch ein exzellenter Texter keine Chance mehr, gegen die Mauer aus Misstrauen anzuschreiben. Er kann es versuchen, aber es geht ihm dann wie einem seriös gekleideten Verkäufer, der überzeugend und mit genau den richtigen Worten ein gutes Produkt verkaufen möchte, doch leider steht er in einem Laden, der wie ein schäbiges Puff aussieht…


Natürlich ist das Versicherungsbeispiel stark übertrieben: was allerdings in der Werbung, besonders in der “selbst gestrickten”, häufig fehlt, ist eine stimmige Wort-Bild-Sprache. Unpassende Bildmotive sind kontraproduktiv, wie wir oben gesehen haben. Allzu naheliegende Bildmotive, die einfach nur den Text “abbilden”, sind langweilig. Und dies gilt umgekehrt natürlich genauso. Am besten ist es, wenn der Text Bilder im Kopf des Lesers entstehen lässt und zusammen mit den verwendeten Fotos eine Geschichte erzählt.

Mehr dazu im Beitrag: “Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Textgesicht”.

Copyright by Konzeption & Text – Ingrid Holzmann-Ottohall – 2007


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