Mittwoch, 21. November 2007

Lieber unvollkommen begonnen, als perfekt gezögert!



Als ich kürzlich diesen Satz in einem Ratgeber las, stutzte ich: “perfekt gezögert” - das kommt mir doch irgendwie bekannt vor? Und in der Tat: ich kenne das “Leiden” der Perfektionisten aus eigener Erfahrung. Wenn ich zum Beispiel einen Brief schreibe - ganz gleich, ob fürs Finanzamt oder für einen Geschäftskunden: JEDER Brief muss bei mir stets 100%ig perfekt formuliert sein…

Die Frage ist nur: Ist so viel Perfektionismus nicht “verlorene Liebesmüh´”? Wäre es nicht sinnvoller, bei weniger wichtigen Tätigkeiten einfach mal “alle Fünfe” gerade sein zu lassen? Der Ratgeber empfiehlt: man solle sich im “Unperfektsein” üben. Warum? Weil Perfektionisten ein großes Problem haben: sie zögern oft sehr lange, bevor sie eine Sache anpacken, weil ihre extrem hoch gesteckten Leistungsziele wie eine Blockade wirken.

Stellen Sie sich einen Hobbykoch vor, der für seine Freunde ein Menü zaubern will. Vor seinem geistigen Auge sieht er die genialen Gerichte der 3-Sterne-Köche. Genau so will er auch kochen. Doch vor lauter Ehrfurcht vor diesen Meistern hat er plötzlich den Mumm und die Lust verloren, sich an einem tollen Menü zu versuchen. Der Anspruch an Perfektion und der Vergleich mit unerreichbaren Vorbildern lässt ihn “perfekt zögern” – und das Menü wird niemals begonnen.

Frönt ein Schriftsteller dieser Form des Perfektionismus, dann passiert Folgendes: er wartet Tag für Tag auf die besondere Eingebung, den ungemein kreativen Einfall, die bahnbrechende Formulierung… Und wenn ihm nichts absolut Einzigartiges einfällt, wenn seine eigenen Worte ihn nicht wie ein Sternschnuppenregen erleuchten, dann lässt er lieber die Finger vom Schreiben - und wartet, und wartet, und wartet…bis in alle Ewigkeit.

Ein weniger selbstkritischer Autor legt einfach los und sagt sich: “Lieber unvollkommen begonnen, als überhaupt nicht!” Und Recht hat er. Denn jeder Texter oder Autor weiß: manchmal ist die erste Fassung eines “Werkes” noch nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt. Manchmal ist es vielleicht erst die fünfte oder zehnte Fassung eines Briefes oder eines Romans, ABER: ohne den unperfekten Beginn wäre es auch nie zu einem perfekten Ergebnis gekommen.

Mein Tipp an alle Perfektionisten: Lassen Sie sich nicht von Ihren eigenen Ansprüchen knebeln! Zögern Sie nicht! Beginnen Sie Ihre Projekte, auch wenn es zuerst nur Fragmente sind, Ideen, Bausteine… Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Feilen, perfektionieren, Feinarbeit machen – das können Sie dann später immer noch – und werden es als Perfektionist garantiert auch tun. Das Entscheidende ist nur, dass Sie bereit dazu sind, “unvollkommen” zu beginnen!
Copyright by Konzeption & Text – Ingrid Holzmann-Ottohall – 2007

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